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Jeder kann dazu beitragen, dass Kinder gewaltfrei aufwachsen und sich bestmöglich entfalten können.

Kinderschutz braucht starke Netze!

Interdisziplinäre bzw. intersektorale Zusammenarbeit im Bereich des Kinderschutzes findet in einem sensiblen Spannungsverhältnis von Prävention und Intervention statt. Im Einzelfall sind schwierige und sensible Abwägungsprozesse erforderlich, die neben entsprechender Qualifizierung und Sensibilisierung insbesondere auch ein reibungsloses und systemübergreifendes Schnittstellenmanagement notwendig machen.

Kinderschutz setzt eine „Kultur des Hinsehens“ voraus. Jeder trägt Verantwortung dafür, dass Kinder und Jugendliche gewaltfrei aufwachsen und sich bestmöglich entwickeln und entfalten können. Ebenso wichtig ist eine „Kultur des Miteinanders“: Die Kinder- und Jugendhilfe ist zur bestmöglichen Erfüllung ihrer Aufgaben auf die Unterstützung anderer Leistungssysteme angewiesen, vor allem des Gesundheitsbereichs, der Behindertenhilfe, der Schule, der Polizei und der Justiz.

Bei gleichzeitigem Rückgang familiärer Netze (z. B. Großfamilie) steigen die Anforderungen an die Erziehungskompetenz von Eltern, familiäre und soziale Konfliktlagen, psychische Probleme, Druck aus dem Arbeitsalltag etc. Es ist deshalb kein Versagen, sondern etwas Selbstverständliches, wenn Hilfe von professionellen Fachkräften (wie z. B.  in Jugendämtern oder Erziehungs- und Jugendberatungsstellen) angenommen wird.

Jugendhilfe und Gesundheitsbereich

Berufe aus dem Gesundheitsbereich haben üblicherweise vor allen anderen Institutionen und Professionen Kontakt zu Eltern und ihren Kindern. Diesen Zugang gilt es frühzeitig zur bestmöglichen Förderung einer guten und gesunden Entwicklung der Kinder und Jugendlichen zu nutzen. Zur verbindlichen Zusammenarbeit im Kinderschutz wurde die Handlungspflicht bei erkannter Kindeswohlgefährdung bereits 2018 landesgesetzlich geregelt (vgl. Art. 15 Gesundheitsdienstgesetz). Zur Verbesserung des Kinderschutzes wurde auf Initiative Bayerns 2021 auch bundesgesetzlich klargestellt, dass Ärztinnen und Ärzte, Hebammen und Entbindungspfleger oder Angehörige eines anderen Heilberufes, unverzüglich das Jugendamt informieren sollen, wenn nach deren Einschätzung eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen das Tätigwerden des Jugendamtes erfordert (Pflicht statt wie früher: bloße Befugnis).

Um für Ärztinnen und Ärzte Handlungssicherheit im Umgang mit möglichen Kindeswohlgefährdungen, aber auch festgestellten Unterstützungsbedarfen zu schaffen, wurde der Leitfaden „Gewalt gegen Kinder und Jugendliche – Erkennen und Handeln“ gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus dem Gesundheits- und Jugendhilfebereich erstellt.

Mit Unterstützung und Förderung des Familienministeriums wurde zudem am Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München die Bayerische Kinderschutzambulanz als landesweites Kompetenzzentrum eingerichtet, um insbesondere Fachkräften der Jugendämter sowie Ärztinnen und Ärzten eine fundierte Beratung zur Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung zu ermöglichen sowie Handlungssicherheit zu schaffen.

Um den Kinderschutz in Bayern und entsprechende Empfehlungen weiterzuentwickeln, finden in Bayern regelmäßig interdisziplinäre Fachtage sowie ein regelmäßiger Austausch insbesondere von Gesundheitswesen und Jugendhilfe mit den relevanten Partnern auf Landesebene statt.

Um die Themenbereiche Psychische Erkrankung und Hilfsangebote der Kinder- und Jugendhilfe (Jugendamt und Träger der freien Jugendhilfe) zu enttabuisieren sowie für das Annehmen von Hilfsangeboten zu werben, veranstalteten das Familienministerium und das Gesundheitsministerium am 24.11.2016 den gemeinsamen Fachtag „Kinder von Eltern mit einer psychischen Erkrankung“. Neben Fachvorträgen wurden bei der Veranstaltung Beispiele für die gelungene intersektorale Zusammenarbeit (insbes. von psychiatrischen Einrichtungen und den KoKis) vorgestellt, Empfehlungen wurden weiterentwickelt und weitergegeben. Die Teilnahme beider Staatsministerinnen hat gezeigt, wie wichtig es ist, bei dieser Thematik an einem Strang zu ziehen. Ist ein Elternteil psychisch erkrankt, betrifft dies die ganze Familie. Gerade Kinder fühlen sich oft verantwortlich. Deshalb brauchen Kinder in diesen Situationen besondere Aufmerksamkeit und Unterstützung. In dieser Situation ist die ganzheitliche Unterstützung von besonderer Bedeutung. Um Belastungssituationen für die betroffenen Familien und Kinder zu erkennen, ist die Kinder- und Jugendhilfe auf die Erwachsenenpsychiatrie angewiesen. Diese wiederum braucht Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, um passende Hilfen für die Kinder anbieten zu können. Ein weiterer landesweiter gemeinsamer Fachtag ist für 2024 geplant.

Jugendhilfe und Schule

Die verbindliche Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule ist in § 81 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) und Art. 31 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) geregelt. Die Chancen und Potenziale dieser Kooperation bestehen über die Bereiche Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit (Jugendsozialarbeit an Schulen) hinaus, auch für den Bereich des Kinderschutzes, denn oft sind es Lehrerinnen oder Lehrer, die zuerst von Belastungs- oder Risikofaktoren in Familien erfahren.

Um insbesondere das Thema sexuelle Gewalt in den Blickpunkt rücken und auch im Bereich Schule weitere Impulse zu geben, erfolgte zum Schuljahr 2019/2020 der gemeinsame Startschuss des StMAS und des StMUK für die Modellphase zur flächendeckenden Etablierung der Initiative „Trau dich!“ zur Prävention des sexuellen Kindesmissbrauchs. Ziel ist es, Schulkinder altersgerecht über ihre Rechte aufzuklären, ihre Persönlichkeitsrechte zu stärken, sie zu sensibilisieren und zu informieren, wo sie im Bedarfsfall Hilfe finden. Um landesweit eine qualifizierte Durchführung sicherzustellen, führt der Verein AMYNA e.V. (bundesweit anerkannte Expertise im Bereich Fortbildung zur Prävention sexualisierter Gewalt) im Vorfeld Schulungen für Jugendamt, Schule und spezialisierte Fachberatungsstellen durch. Aufgrund der coronabedingten Einschränkungen wurde das Projekt in Abstimmung mit allen organisatorischen Partnern verlängert.

Im Herbst 2017 startete in Bayern die Bundesinitiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“. Ziel ist es, alle Schulen bei der Entwicklung von Konzepten zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor sexueller Gewalt zu unterstützen.

Jugendhilfe und Justiz

Am 27.03.2019 hat das StMAS zusammen mit dem StMJ einen landesweiten Fachtag für Familienrichterinnen und -richter und Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe zum Thema „Gemeinsamer Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung“ durchgeführt. Fokus und Ziel der Veranstaltung war die interdisziplinäre Qualifizierung, insbesondere die Sensibilisierung auch bzgl. subtilerer Gewaltformen wie seelischer Gewalt sowie Vernachlässigung. Ferner wurden weitere Anstöße für die Optimierung von Kooperationsstrukturen vor Ort gegeben.